Customer Journey

Nur wer seine neue Kundschaft kennt, kann sich auf sie einstellen

von Peter Wuerth, 28. Januar 2022
10 minuten

Fünf wichtige Faktoren bestimmen, wie Gebrauchtwagenkäufer heute agieren.

Fünf wichtige Faktoren bestimmen, wie Gebrauchtwagenkäufer heute agieren.

Die großen gesellschaftlichen Veränderungen – Digitalisierung, wachsendes Umweltbewusstsein, hybrides Arbeiten – machen auch vor der Gebrauchtwagenbranche nicht halt. Vielleicht spürt man sie hier sogar noch intensiver, geht es doch bei jedem einzelnen Geschäft darum, sich auf den individuellen Kunden einzustellen, seine Bedürfnisse zu erkennen und ihm genau das anzubieten, wonach er sucht.

Und dabei genügt es längst nicht mehr, sich einfach nur gut mit Autos auszukennen. Früher war man da Spezialist, wusste mehr als die Kunden, die einem glaubten – oder auch nicht und woanders kauften. Das hat sich massiv verschoben. Die Kunden von heute haben sich im Internet vorinformiert und wissen im Zweifelsfall mehr über das ausgewählte Modell, etwa über seine Vorzüge, Besonderheiten und Schwachstellen, als der Verkäufer, der sein gesamtes, mehr oder weniger breit gestreutes Angebot im Kopf haben muss.

Das Verhalten der Kaufinteressenten hat sich ebenso geändert wie die verschiedenen Zielgruppen selbst. Das hat Folgen: Die Händler müssen nicht mehr nur Autospezialisten sein, sondern dazu auch noch zum Kundenspezialisten werden.

Nur wer die Kunden kennt, weiß, was sie wollen und wirklich brauchen. Wer es versteht, sich in ihre individuelle Lage hineinzuversetzen, kann auch weiterhin gute Geschäfte mit ihnen machen.

Wir wollten wissen: Wie ticken die neuen Kunden? Was beschäftigt sie? Welche Rolle spielt Mobilität für sie? Was erwarten sie von den Händlern? Wie suchen sie, und wie kaufen Kunden heute überhaupt ein? mobile.de hat deshalb in Zusammenarbeit mit den Datenexperten von Statista seine anonymisierten Nutzerdaten und eine Vielzahl von Studien ausgewertet. Dabei haben wir eine Reihe grundlegender Erkenntnisse über die „neuen“ Kunden gewonnen. Diese gruppieren sich um fünf Schwerpunkte.

1. Das Auto hat seine Rolle als wichtiges Statussymbol zum großen Teil verloren
Das Autos als Distinktionsmerkmal wird zunehmend durch prestigeträchtige Rennräder, Smartphones oder andere digitale „Werte“ ersetzt. Viele Aufgaben, die früher nur mit einem Auto zu erledigen waren, sind ja heute leicht per WhatsApp, iMessage, Facetime oder Zoom abzuarbeiten. Virtuelles macht der Realität zunehmend Konkurrenz – und auf dem Datenhighway braucht man kein Auto.

Gerade für jüngere Zielgruppen ist ein eigenes Auto nicht mehr das Maß aller Dinge, das sie mit Macht anstreben, sobald sie alt genug sind. Auch die jüngere Generation macht zwar meist den Führerschein, allerdings erst später, wenn sie eigenes Geld verdient und ihre Ansprüche an die individuelle Mobilität gestiegen sind. Laut der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände legen nur noch 20 % aller Jugendlichen aus Großstädten ihre Führerscheinprüfung mit 17 Jahren ab – die meisten warten damit im Schnitt 6 Jahre länger.1

Immerhin ist das Auto nicht für alle Leute nur Mittel zum Zweck: 63 % der Neuwagenkäufer, 55 % der Gebrauchtwagenkäufer und 39 % der Pkw-Halter sehen in ihrem Auto eine Möglichkeit, ihre Persönlichkeit auszudrücken.2

2. Das Mobilitätsverhalten ändert sich
Wenn man einmal von den Coronabeschränkungen absieht, werden die Deutschen mobiler und verharren weniger lange an einem Ort. Wie sie woanders hinkommen, ist dabei sehr variabel. Sie nutzen immer mehr unterschiedliche Fortbewegungsmittel, je nach Situation. Ob sie sich für Bus und Bahn, das Fahrrad, den Elektroroller oder das – eigene oder geteilte – Auto entscheiden, hängt davon ab, was in der jeweiligen Situation gerade am einfachsten ist – und vor allem zur Verfügung steht. Das geht eindeutig zulasten des eigenen Pkw. Die Bedeutung des Autos sinkt, es bekommt gerade in den urbanen Zentren immer mehr Konkurrenz. Wer will schon das Auto für eine kurze Besorgung ausparken, wenn der E-Scooter gleich daneben steht. Für zwei Drittel der deutschen Befragten sind herkömmliche öffentliche Verkehrsmittel am relevantesten, wenn es um ein ideales Gemeinschaftsabonnement für öffentliche Mobilität geht, gefolgt von E-Scootern (29 %), Bikesharing (23 %) und Carsharing (21 %).4

Für den Handel eröffnen sich durch das veränderte Mobilitätsverhalten neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle. Wer sich und sein Autohaus als Mobilitätsdienstleister versteht und entsprechende Angebote machen kann – vom Miet-Van für den Urlaub bis zum Elektrofahrrad im Package mit einem Gebrauchtwagen –, ist mit dem Kunden regelmäßig im Geschäft und sieht ihn nicht nur einmal bei Vertragsunterzeichnung eines Gebrauchtwagenkaufs. „Wer sagt, dass Sie nur Autos verkaufen dürfen?“, fragt Fabian Neidhardt, Autor, Speaker und Experte für die „Generation Vielleicht“ die Händler. „Warum nicht alles, was Menschen mobil macht?“

Das Autohaus Bell in Nister im Westerwald hat zum Beispiel schon seit 2012 E-Bikes im Angebot. Mit klugen Ideen können so aus Einmal- auch Dauerkunden werden. Umso mehr, wenn der Handel mit neuen Besitzmodellen aufwartet: 21 % der Befragten könnten sich in Zukunft vorstellen, ein Auto-Abo-Angebot zu nutzen.5 Bis zum Jahr 2030 werden laut einer Studie rund eine Million Neuwagen über Abonnements angeschafft werden.6

3. New Work ist ein echter Umbruch
Die Coronakrise hat den Trend weg vom Büro, hin zu neuen sozial- und familienverträglicheren Arbeitsweisen extrem beschleunigt. Drei Viertel der Unternehmen erwarten, dass 30 % oder mehr ihrer Mitarbeiter zukünftig remote arbeiten werden, und mehr als ein Viertel geht davon aus, dass sogar über 70 % der Mitarbeiter ins Homeoffice gehen.8 Laut einer Prognose des Frankfurter Zukunftsinstituts wird das Arbeiten 2040 dank digitaler Vernetzung, Cloud-Lösungen und innovativer Workplace-Tools ganz überwiegend zeit- und ortsunabhängig möglich sein.9

Die – zumindest zeitweise – Arbeit im Homeoffice spart jeden Tag eine Menge an Pendlerfahrten ins Büro. Mit den entsprechenden Folgen für die Innenstädte: 69 % der befragten Manager gaben in einer Umfrage der Wirtschaftsberatung KPMG an, dass ihr Unternehmen künftig weniger Büroflächen benötigen werde.10

Gleichzeitig wird es attraktiver, aus der Stadt ins Umland zu ziehen, wo die Luft besser ist, die Wohnungen größer und die Mieten niedriger sind. Wer immer schon raus aufs Land wollte, hat jetzt noch einen Grund weniger, in der Stadt zu bleiben.

Für den Gebrauchtwagenhandel muss das nichts Schlechtes bedeuten. Wer draußen wohnt, verzichtet kaum ganz auf ein eigenes Auto. Wichtig dürfte das Thema insbesondere bei der angebotenen Modellauswahl sein. An die Stelle des städtischen Kleinwagens für Miniparklücken tritt vermutlich häufiger der familienfreundliche Kombi für die Großeinkäufe im Einkaufszentrum auf der grünen Wiese.

„Die Kunden heute erwarten Einfachheit, Schnelligkeit, Verständlichkeit.“

Jochen Cuntz, Director Transactional Services bei mobile.de

4. Die Digitalisierung verändert das Verhalten
Wir gewöhnen uns offensichtlich schneller an Neues, als wir dachten. Die neuen digitalen Möglichkeiten haben uns jedenfalls in nur wenigen Jahren voll in den Griff bekommen. Laut der „Postbank Digitalstudie 2021“ pflegten 74 % der Deutschen in der Coronakrise ihre Kontakte online.11 

Nicht zuletzt weil es so leicht geworden ist, alles jederzeit online suchen und bestellen zu können und auch noch im Handumdrehen geliefert zu bekommen, steigt der Konsum weiter an. Bereits 64 % aller Einflussfaktoren auf die Kaufentscheidung der Deutschen sind digital.12

Das gilt zunehmend auch für den Autokauf im Netz. „Die Kunden heute erwarten Einfachheit, Schnelligkeit, Verständlichkeit“, weiß Jochen Cuntz, Director Transactional Services bei mobile.de. „Das heißt vor allem eine bessere Kommunikation mit den Händlern. Wir sprechen hier von einer Kontaktaufnahme innerhalb weniger Stunden.“ Fast ein Drittel der Befragten wäre bereit, ein Fahrzeug früher zu kaufen, wenn dies online möglich wäre.13 Für 65 % würde es den Kauf erleichtern, wenn das Auto zur digital verabredeten Probefahrt vor die Haustür geliefert würde.14

Verbunden mit der Digitalisierung sind flexible Besitz-, Einkaufs- und Finanzierungsmodelle, die die neuen Kunden von ihren Konsumstreifzügen durchs Netz kennen und inzwischen auch vom Gebrauchtwagenhandel erwarten. Das reicht von digitalen Fahrzeugpräsentationen über Online-Payment bis zu Abos und Flatrates. Gerade bei jüngeren Zielgruppen lässt sich erkennen, dass sie zunehmend Interesse an Sharing- oder Abo-Modellen entwickeln, bei denen ihnen gar kein Fahrzeug mehr gehört.

Und dazu kommt: Autos werden immer mehr zu rollenden Laptops, Smartphones und Entertainment-Centern. Die anfangs skeptischen Autobesitzer begeistern sich längst für die innovativen, spielerischen Möglichkeiten. So zeigten sich 67 % der Befragten einer Studie sehr interessiert am Thema vernetztes Fahren.15

Der technisch immer leichtere, intensive digitale Kontakt zu dem Fahrzeug und seinem Besitzer kommt auch den Herstellern und Händlern zugute. Stecken darin doch neue Erlöschancen, etwa durch einen frühzeitigen digitalen Hinweis auf den nötigen Bremsenservice, digitale Updates oder andere Angebote.

5. Das Sein bestimmt das (Umwelt)bewusstsein
Die breiten gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind überall spürbar. Umweltverträglichkeit, Gleichberechtigung aller Geschlechter, Work-Life-Balance sind Themen, die zunehmend praktische Relevanz quer durch alle Gesellschaftsschichten bekommen. Wenn sie an Mobilität der Zukunft denken, ist 65 % der Deutschen der Aspekt Nachhaltigkeit wichtig.16 31 % der Berufstätigen würden gern umweltfreundlicher unterwegs sein.17 22 % der Gebrauchtwagenkäufer lassen ihr Auto stehen, wann immer es geht.18

Für die Kfz-Branche wird das beim Umweltbewusstsein und bei der Elektromobilität am offensichtlichsten. 32 % aller Neuwagenkäufer geben an, sie hätten sich wegen ihres ökologischen Gewissens bewusst für ein sparsameres Auto entschieden – bei den Frauen sind es sogar 53 %.19 38 % der Kunden würden mehr für ein umweltschonendes Auto bezahlen, 25 % wären bereit, für ein solches Fahrzeug bei der Ausstattung einen Kompromiss einzugehen.20

Der Gebrauchtwagenhandel muss dafür ebenso Beratungs-Know-how entwickeln wie technische Voraussetzungen (beispielsweise E-Ladestationen auf dem Hof) schaffen. Nur wer da up to date bleibt, kann sich heute schon von den Wettbewerbern differenzieren und morgen, wenn die Elektroauto-Welle den Gebrauchtwagenmarkt erreicht, die Nase vorn haben. „Gerade für E-Autos sind Abo-Services spannend, da sich viele Nutzer erst einmal mit der Technologie vertraut machen wollen“, sagt Jochen Cuntz von mobile.de. „Wer als Händler künftig auf E-Mobilität setzt, sollte auch über Zusatzangebote wie die Installation von Ladesäulen auf seinem Verkaufsgelände oder die Vermittlung eines Wallbox-Anschlusses für die Kunden zu Hause nachdenken.“

Dazu gehört aber auch ein intuitives Verständnis für die Bedürfnisse der neuen, umweltbewussten Kunden. Womit sich der Kreis schließt: Wer seine Kunden kennt und sich auf sie einstellt, machte schon immer die besseren Geschäfte.

Text: Peter Würth
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Quellenangaben

1 Straßenverkehrsamt (Smartphones wichtiger als Autofahren, Zugriff 06.01.2022), o.J.

2 DAT (DAT-Report 2021, Seite 13), 2021

3 Tagesschau (ARD-DeutschlandTrend), 2021

4 Presseportal (Zukunft der Mobilität: Neue Studienergebnisse zeigen verändertes Nutzerverhalten), 2021

5 Glebke (Auto-Abos – die Zukunft individueller Mobilität?), 2021

6 Glebke (Auto-Abos – die Zukunft individueller Mobilität?), 2021

7 Forsa Studie im Auftrag des TÜV-Verbandes (Umfrage zu dem Mobilitätsverhalten), 2021

8 Capgemini (The Future of work: From remote to hybrid, Seite 3), 2020

9 ADAC (Die Evolution der Mobilität, Seite 10), 2017

10 Zeit (Viele Unternehmen wollen Büroflächen reduzieren), 2020

11 ZDF (Postbank Digitalstudie 2021: Soziales Leben immer mehr online), 2021

12 LDB (Autohauskunden entscheiden häufiger digital), 2021

13 LDB (Autohauskunden entscheiden häufiger digital), 2021

14 Studie im Auftrag von mobile.de (Konsumentenverhalten 2021), 2021

15 Verbraucherzentrale Bremen (Connected Car nimmt Fahrt auf: Ziehen Verbraucher mit?), 2020

16 Vision Mobility (infas Umfrage zur Mobilität der Zukunft), 2017

17 Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Umfrage zu Mobilität: Bürger wünschen passende für Stadt und Land – und mehr Klimaschutz), 2019

18 DAT (DAT-Report 2021, Seite 13), 2021

19 DAT (DAT-Report 2021, Seite 45), 2021

20 Simon Kucher & Partners (Automobilstudie Deutschland 2019, Seite 5), 2019

21 Schnetzer (Jugend in Deutschland – Trendstudie Winter 2021/22), 2021

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