Der Markt für Elektroautos startet durch. Die Zahl der Neuwagenzulassungen schießt durch die Decke, und auch die Anzahl der Gebrauchten wächst rasant. Eine große Chance für Händler mit Gespür für den richtigen Zeitpunkt.
Deutschland wird e-mobil: Im vergangenen Jahr ist die Anzahl der Pkw-Neuzulassungen mit Elektroantrieb um 83,3 Prozent gegenüber 2020 gestiegen.1 Zugleich sind die Neuzulassungen der Benziner um 28,6 Prozent und der Diesel-Pkw um 36 Prozent gesunken, wie das Kraftfahrt-Bundesamt Anfang 2022 mitteilte.2 Der Elektrotrend macht sich im Autohandel längst bemerkbar – auch bei Gebrauchtwagen. Eine steigende Anzahl von Nutzern sucht aktiv nach dieser Antriebsart: 2021 haben sich die Sucheingaben für Elektroautos im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.3 Und zwar in allen Kategorien – ob Van, Kleinwagen oder Limousine.
Aktuell fahren rund 440.000 elektrisch angetriebene Fahrzeuge in Deutschland.4 Gemessen an den 48 Millionen zugelassenen Pkw ist das noch wenig.5 Doch der Markt wächst rasant. „In den kommenden drei bis vier Jahren werden sich die Elektroantriebe verneunfachen und bis zum Jahr 2030 sogar verzwanzigfachen“, sagt Ana Cristina Martus, Head of Business Intelligence Projects beim Statistikportal Statista.6 Waren 2020 unter den Neuzulassungen rund sieben Prozent elektrisch angetriebene Fahrzeuge, betrug ihr Anteil 2021 schon elf Prozent – im Jahr 2030 könnte er bei satten 72 Prozent liegen.7
Hohe Wachstumsraten bei den Gebrauchten
Je mehr Fahrzeuge in den Neuwagenmarkt drängen, desto mehr Gebrauchte stehen zum Verkauf. Statista verzeichnet Wachstumsraten von 120 Prozent bei gebrauchten E-Autos.8 „Wir können heute nicht die genaue Anzahl der Fahrzeuge prognostizieren, aber wir wissen, dass bis 2030 zwischen 750.000 und eine Million Fahrzeuge auf den Gebrauchtwagenmarkt gelangen“, sagt die Statistikerin Martus.9 Das bedeutet, jedes zehnte Auto wird dann elektrisch angetrieben.10
Dieser Wandel stellt die Autohändler vor enorme Herausforderungen, denn ihr Geschäftsmodell verändert sich rasant: E-Autos sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern benötigen auch weniger Wartung. Noch allerdings beschäftigen sich viel zu wenige Händler mit dem Thema. Nur jeder zweite kauft oder verkauft aktuell E-Fahrzeuge, ergab eine Umfrage auf der mo:re-Konferenz in Hamburg im Dezember 2021.11 Jeder vierte Händler betrachtet die Elektromobilität als ein aktuell sinnvolles Standbein und fast zwei Drittel der Händler aber meinen, dass das Thema erst „künftig spannend“ wird.12
Kompetenz und Vertrauen werden zur neuen Währung
Dabei bietet der E-Auto-Markt den Händlern heute die Chance, bei ihren Kunden erster und wichtigster Ansprechpartner zu diesem Thema zu werden. Mit neuen Services werden sie First Mover, bauen Kompetenzen auf, die das Vertrauen ihrer Kunden stärken, und punkten damit im Wettbewerb – denn der Beratungsbedarf ist da. Wer ein Fahrzeug mit Elektroantrieb kaufen will, muss sich mit vielen Themen beschäftigen. Umfragen zeigen, dass sich Pkw-Käufer meist aus drei Gründen für ein E-Auto entscheiden: wegen des Umweltschutzes, der niedrigen Betriebskosten und der Zukunftssicherheit der Fahrzeuge. Gegen ein E-Auto sprechen die Anschaffungskosten, fehlende Ladesäulen und die oft hohe Ladezeit.13
Was die Anschaffungskosten betrifft, so hat die neue Bundesregierung den Umweltbonus und die Innovationsprämie zunächst um ein Jahr bis Ende 2022 verlängert. Damit bleiben die aktuellen Fördersätze von bis zu 9.000 Euro für ein rein elektrisch betriebenes und bis zu 6.750 Euro für ein Plug-in-Hybrid-Fahrzeug auch 2022 gültig.15 Für Händler bedeutet das: Wer E-Autos verkauft – ob neu oder gebraucht –, muss sich für die Kunden mit diesen Förderinstrumenten detailliert auseinandersetzen.
Dazu gehört auch eine weitere Prämie, die Treibhausgasminderungsquote. Besitzer von reinen E-Autos können die CO₂-Emissionen, die sie einsparen, über das Umweltbundesamt zertifizieren lassen und anschließend verkaufen. Das macht 2022 bis zu 250 Euro pro Fahrzeug aus – einige Autohändler, zum Beispiel die Autohaus Liebe Gruppe aus Leipzig, bieten ihren Kunden schon heute an, den bürokratischen Aufwand für sie abzuwickeln.16
Die Ladeinfrastruktur wird besser
Reichweite, Batterieladedauer und Ladeinfrastruktur bleiben für viele Kunden wichtige Diskussionspunkte. „Das Thema Reichweite begleitet die E-Mobilität von Anfang an. Dabei haben wir eigentlich kein Reichweitenproblem, sondern ein Infrastrukturproblem“, sagt Markus Emmert vom Bundesverband eMobilität (BEM). „Hier sollte zügig Klarheit darüber bestehen, dass wir Lademöglichkeiten nicht nur für Autos, sondern ebenso für Lkw und Kleinfahrzeuge brauchen, die dann auch europäischen Standards entsprechen.“
Das Netz der elektrischen Ladesäulen wird bundesweit immer dichter. Zum 1. November 2021 zählte die Bundesnetzagentur 43.325 aktive Ladepunkte und 7.576 Schnellladestationen.17 Doch viele Kunden möchten sich von den öffentlichen Stationen unabhängig machen. Sie wollen eine eigene Wallbox installieren und benötigen dabei Unterstützung. Händler, die eine lokale Partnerschaft mit einem Elektroinstallateur anbieten, sind da akzeptierte Berater. Dabei geht es nicht nur um die technische Montage der Ladestation zu Hause, sondern auch um finanzielle Zuschüsse. Denn der Einbau der Wallbox wird oft gefördert – und zwar von einigen Bundesländern, vielen Kommunen und sogar manchen Stromversorgern.18 Viele Kunden verlieren sich in diesem Förderwirrwarr. Für die Autohändler bietet sich hier die Chance, als kompetenter Ratgeber der Kunden aufzutreten, wenn sie ihnen über die lokale Förderung Auskunft geben können.
Preisverfall bei Gebrauchtwagen ist hausgemacht
Käufer und Leasingnehmer beschäftigt der Restwertverfall eines E-Fahrzeugs. Nach drei Jahren sind E-Autos nur noch 47 Prozent ihres Neupreises wert, hat Statista festgestellt.20 Beim vergleichbaren Dieselfahrzeug liegt der Restwert bei 55 Prozent, beim Benziner sogar bei 58 Prozent.21 „Wir haben beobachtet, dass sich der Umweltbonus auf den Restwert der Fahrzeuge auswirkt“, sagt Emmert vom BEM. Aber das beeinflusst fast ausschließlich den deutschen Markt. „In anderen europäischen Nachbarländern ohne Umweltbonus wie Polen, Tschechien, Dänemark oder Schweden sind gebrauchte E-Autos extrem attraktiv“, so Emmert. „Wir sehen da eine starke Abwanderung – das ist nicht gut für unsere Klimaziele, denn bis zum Jahr 2030 werden Millionen gebrauchte E-Autos auf dem deutschen Markt fehlen.“
Der Kick am Gaspedal
Und schließlich ist da noch ein Aspekt, der bei der Debatte häufig unter die Räder kommt und den man bei all der Diskussion nicht vergessen darf: der Fahrspaß. Wer einmal am Steuer eines E-Autos saß, wird die Beschleunigung und den Komfort nicht mehr missen wollen. Allerdings haben bislang erst wenige Menschen diesen Vorteil genossen. Gerade einmal jeder vierte künftige Autokäufer ist bislang mit einem E-Auto gefahren, haben Umfragen ergeben.22
„Ich bin ein E-Auto-Fan“, bekennt Andreas Jerchel, Marketingleiter beim Autohaus Ostermaier in Straubing. Wenn mehr Menschen mit dem Elektroauto in Kontakt kämen, dann würden sie sich so begeistern wie er: „Da gibt es so viele Kritiker“, sagt Jerchel. „Aber die verstummen, wenn sie zum ersten Mal aufs Gas treten. Das ist immer das Gleiche – auf einmal geht die Post ab!“
Text: Axel Novak
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Quellenangaben
1 Kraftfahrt-Bundesamt (Fahrzeugzulassungen – Jahresbilanz 2021), 2022
2 Kraftfahrt-Bundesamt (Fahrzeugzulassungen – Jahresbilanz 2021), 2022
3 Mobile.de Daten Dashboard (Vergleich 2020 & 2021), 2021
4 Statista (Anzahl der Elektroautos in Deutschland von 2011 bis 2021), 2021
5 Statista (Anzahl zugelassener Pkw in Deutschland von 1960 bis 2021), 2021
6 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Neuwagenmarkt 2020-2023), 2021
7 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Neuwagenmarkt 2020-2023), 2021
8 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Gebrauchtwagenmarkt 2020 – 2030), 2021
9 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Gebrauchtwagenmarkt 2020 – 2030), 2021
10 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Gebrauchtwagenmarkt 2020 – 2030), 2021
11 Mo:re-Konferenz (Umfrage unter Teilnehmern), Hamburg, 02.12.2021
12 Mo:re-Konferenz (Umfrage unter Teilnehmern), Hamburg, 02.12.2021
13 Center of Automotive Management (CAM)/YouGov (Electric Car Market & Innovation Report 2021, Seite 7), 2021
14 Center of Automotive Management (CAM)/YouGov (Electric Car Market & Innovation Report 2021, Seite 4), 2021
15 Umweltbundesamt (Vollzug 38. BImSchV: Anrechnung von Strom für Elektrofahrzeuge), 2022
16 Umweltbundesamt (Vollzug 38. BImSchV: Anrechnung von Strom für Elektrofahrzeuge), 2022
17 Bundesnetzagentur (Elektromobilität: Öffentliche Ladeinfrastruktur), 2021
18 ADAC (KfW-Förderung für Wallboxen: Kein Geld mehr im Topf), 2021
19 Bundesnetzagentur (Elektromobilität: Öffentliche Ladeinfrastruktur), 2021
20 Statista (Wertentwicklung des Listenneupreises von Personenkraftwagen in Deutschland, Januar 2018 – Oktober 2021), 2021
21 Statista (Wertentwicklung des Listenneupreises von Personenkraftwagen in Deutschland, Januar 2018 – Oktober 2021), 2021
22 Center of Automotive Management (CAM)/YouGov (Electric Car Market & Innovation Report 2021, Seite 4), 2021
23 Statista-Analyse Berechnung basierend auf KBA-Daten im Auftrag von mobile.de (Anzahl der zugelassenen PKWs am 1. Januar 2021), 2021
24 Statista-Modellierung im Auftrag von mobile.de (Deutscher E-Auto Gebrauchtwagenmarkt 2020 – 2030), 2021
mo:re Branchenstudie
Die Ergebnisse der Händler-Umfrage sind da. Die 5 Thesen für den Handel können Sie sich als PDF herunterladen.
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